Neubaugebiet Budenheim – Komplizierte Strukturen und Regelungen

Donnerstag, 9 Juli, 2015 - 00:04

Neubaugebiet Budenheim – Komplizierte Strukturen und Regelungen

Fündig geworden sind wir bei der Grundstückssuche schließlich in Budenheim im Neubaugebiet. Nach 2.5 Jahren auf der Warteliste konnten wir schließlich ein EFH-Grundstück kaufen. Uns wäre wegen des günstigeren Kaufpreies anfangs auch ein DHH-Grundstück recht gewesen, aber da hätten wir nicht die freie Wahl der Baufirma und der Bauform gehabt, also wesentlich weniger Gestaltungs- und Verhandlungsmöglichkeiten. Umso zufriedener mit unserer Entscheidung für ein EFH waren wir, als wir gehört haben, dass die DHH, die als Bauträgerlösung von Gemünden Bau gebaut bzw. von Molitor-Immobilien angeboten werden, wohl ungefähr das gleiche kosten sollen wie unser EFH, allerdings im Gegensatz zu unserem Haus keinen Keller, keine Geothermie-Heizung und mit Sicherheit auch nicht alle sonstigen kleineren Extras (Schiebetüren, Glastür, Betontreppe,...) haben.

Verkauft wurden die Grundstücke nicht direkt von der Gemeinde, es ist komplizierter.

Die Grundstücke gehörten ehemals der „Mainzer Aufbaugesellschaft“ (MAG). Die MAG und „Molitor-Immobilien“ aus Ingelheim haben zusammen die „Wohnen am Golfplatz GmbH“ (WaG) gegründet. Die WaG verkauft nun die Grundstücke, wobei die Kaufverträge einige strenge Regelungen beinhalten:

(1) Innerhalb von 2 Monaten nach Notartermin müssen Entwurfspläne vorgelegt werden, auf Basis derer unverzüglich der Bauantrag zu stellen ist.

Nur zwei Monate zur Erstellung von Plänen? Einerseits braucht die WaG für die Erschließung trotz des milden Winters statt der angekündigten 6 Monaten die doppelte Zeit, nämlich 12 Monate, das heißt, statt Ende Mai kann nun erst ab Ende Oktober allgemein mit dem Bauen begonnen werden. Andererseits wurde uns im Notarvertrag auferlegt, innerhalb von 2 Monaten, also bis zum 19.04. Hauspläne entworfen zu haben.

(2) Eine von der WaG erstellte Baufibel legt noch weitere Dinge fest, die einzuhalten sind: Verwendete Außenfarben, Dachziegelfarbe, Hecken am straßenseitigen Grundstück, Firstrichtungen, Baulinien statt Baugrenzen,..

Man fragt sich, welches Interesse die WaG an diesen Festsetzungen hat. (Zumal die Beteiligten sich selbst auch nicht an alle Festsetzungen halten, siehe Blogeintrag „Bauantrag abgelehnt“). Zu vermuten ist jedenfalls, dass viele Bauherren aufgrund des zeitlichen und planerischen Drucks auf die am schnellsten und einfachsten zugängliche Lösung zurückgreifen werden: Die Zusammenarbeit mit den von der WaG bzw. Molitor Immobilien empfohlenen Architekten, Rohbauern oder Generalunternehmer, speziell mit der Baufirma „Gemünden Bau“. In Wohngebieten mit vergleichbaren Rahmenbedingungen konnte Gemünden Bau am Ende bis auf zwei Häuser alle Aufträge für sich gewinnen. Wobei man sagen muss, dass die gute Auftragslage von Gemünden nicht nur mit der sehr intensiven Vernetzung und der geschickten Firmenführung, sondern vor allem auch mit Ihrem durch einwandfreie Bauqualität erworbenen hervorragenden Ruf zusammenhängt.

Im Nachhinein muss man feststellen, dass viele der zusätzlich zum Bebauungsplan erstellten Regelungen nicht bei allen Häusern eingehalten wurde:

  • Die Baufibel verschärft die Baugrenze zur Baulinie: Das wurde selbst von den bauträgermäßig angebotenen Doppelhaushälften von Molitor Immobilien (Teilhaber der Wohnen am Golfplatz GmbH) nicht eingehalten.
  • Laut Baufibel sollten die Firste parallel zur Straße verlaufen, was bei manchen Grundstücken aufgrund des schmalen Schnitts totaler Quatsch ist. Letztendlich entstanden viele Häuser mit First senkrecht zur Straße, eines sogar mit einem diagonal verlaufenden First.
  • Laut Baufibel wird die Terrassierung des Gebiets durch den Gestaltungsbeirat geregelt. Das fand nicht statt.
  • Laut Baufibel waren Dacheinschnitte (z.B. Loggia) nicht zulässig. Auch dies ist nun im Baugebiet zu finden.
  • Laut Baufibel sollten zusammende bzw. unmittelbar aneinandergrenzende Carports  aufeinander abgestimmt gestaltet werden. Das fand nirgends statt.
  • Laut Baufibel sollten Abgrabungen und Aufschüttungen an der Grundstücksgrenze auf 60 cm begrenz werden. Das wurde selbst von den bauträgermäßig angebotenen Doppelhaushälften von Molitor Immobilien (Teilhaber der Wohnen am Golfplatz GmbH) nicht eingehalten. Man findet Aufschüttungen von bis zu 115 cm.
  • Laut Baufibel sollten Stützmauern auf eine Höhe von 1.20 m begrenzt werden.  Das wurde oft nicht eingehalten.
  • Laut Baufibel waren zwischen Grundstücken und öffentlichem Raumn (z.B. Bürgersteigen) Hecken mit einer maximalen Höhe von 120 cm vorgeschrieben.Zu finden sind jetzt oft auch Zäune oder teilweise mannshohe Betonmauern.
  • Laut Grundstückvertrag wurden einem lokale Handwerke ans Herz gelegt ("Die Beteiligten sind sich einig, dass eine individuelle Bebauung durch Einbindung REGIONAL ANSÄSSIGER Architekten, Ingenieure und Handwerksunternehmen erfolgt."). Enstanden ist u.a. auch ein Fertighaus eines bayerischen Anbieters (ca. 180 km entfernt).

(3) Man ist gezwungen, bei den Grundstücken zwei Zisternen mitzukaufen. Bei uns waren das zwei Zisternen a 7 Kubikmeter, also insgesamt 14.000 Liter Fassungsvermögen. Alle Leute, mit denen ich gesprochen habe, teilten die Auffassung, dass für eine normales EFH-Dach die Zisternen viel zu groß wären und nie voll werden würden. Die gedrosselte Abgabemenge darf max. einen Wert von 0,5 l/s nicht überschreiten. Ein Retentionsvolumen von min. 8 m³ ist jederzeit bereit zu stellen. Das abgeflossene Wasser aus der Zisterne wird übrigend verwendet zur Speisung des Sees, der zur Bewässerung des Golfplatzes dient. (Der Golfplatzbesitzer hat wohl übrigens selbst mehrere Grundstücke im Neubaugebiet erworben.)

 

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